COLEGIO ALEMÁN – LA EXPERIENCIA

img_1318Das Deutsche Auslandsschulwesen und gerade die Option als Lehrkraft mit Deutsch als Fremdsprache (DaF) in ganz Lateinamerika arbeiten zu koennen, fasziniert mich seit mehreren Semestern und stellte somit bereits vor dem Praktikum eine sehr attraktive Alternative zum Dienst in der Deutschland dar. Gerade die Tatsache, die Muttersprache unterrichten zu koennen und mit Spanisch nahezu alle Tueren zum Kontinent offen zu haben, befluegelte mich in meinen Gedankengaengen und im Kopf malte ich mir den Werdegang nach dem Studium bereits in rosaroten Farben.
Waehrend den letzten drei Monaten konnte ich dieses Bild mit der Realitaet abgleichen und dabei traf das Wunschdenken auf den doch ganz anderen Lehreralltag. Bevor ich im folgenden meine Erwartungen und Erlebnisse gegenueberstelle und daraufhin meine Berufsausrichtung nochmal hinterfrage, sei hervorgehoben, dass sich jeder Lehramtspraktikant einen Platz an der DS Cali wuenschen kann: Gerade fuer meine Faecherkombination Sport & Spanisch haette ich mir keinen bessere Institution wuenschen koennen und dafuer ist nichtzuletzt der Schulleiter verantwortlich.
In meiner Prakitkumszeit hatte ich Kontakt zu vier Freunden, welche ebenfalls in Suedamerika an einer Deutschen Auslandsschule taetig waren. Der Austausch mit ihnen fuerte zu einer Relativierung des Erlebten und beguenstigte einen umfassenden Blick auf das Gebiet ¨Deutsch im Ausland¨und half mir bei der nachfolgenden Auswahl an Argumenten fuer und gegen eine Anstellung als Lehrkraft. An dieser Stelle sie angemerkt, dass sich an einem Ort gemachte Erfahrungen nur schwer auf das weltweite Schulsystem uebertragen lassen. Gleichzeitig gibt es sicherlich Muster, welche sich unabhaengig der Laender wiederfinden lassen.

1. MATERIAL, STRUKTUR & FOERDERUNG
2-Seiten Klassenzimmer mit Tafel an der einen und Leinwand an der anderen Wand sind der Standard in den einzelnen Raeumen der Schule. Die Leinwand ist zudem interaktiv und die Beamer-Projektion laesst sich mit den Finger bedienen (Whiteboard). Des Weiteren gibt es moderne Biologie- und Chemielabore, zwei Kinosaele, ein seperates Musikhaus, eine grosse Aula (400pers.) sowie die bereits in hoechsten Toenen angepriesene Sportanlage (eigenes Schwimmbad, 400m Bahnen, ueberdachte Ballsportplaetze etc.). Die deutsche Linie spiegelt sich nicht nur im Sprachunterricht wider, sonder laesst sich auch in der Organisation, Disziplin, Schulregeln und Planung wiederfinden. Neben dem normalen Unterricht bietet die Schule fuer nahezu alle Faecher die Moeglichkeit der individuellen Foerderung (zum Bleistift Deutsch im Nachmittag, Schwimmen vor der Schule etc.).

2. PRIVATSCHULE
Mit einem Monatsbeitrag von umgerechnet 450,00 Euro pro Schueler sowie einer einmaligen Aufnahemgebuehr von umgerechnet 2,000 Euro ist die Schule alles andere als erschwinglich und schliesst somit fuer gewissen soziale Schichten im voraus ihre Tueren. Im Umkehrschluss funktioniert diese Selektion zu einer Schuelerschaft welche aus einem (finanziell) sehr gut aufgestellten Elternhaus kommen. Privatschule ist in diesem Fall nicht nur als Bildungseinrichtung sondern auch als Prestige und Statussymbol zu verstehen. Dies fuehrt weg vom in Deutschland so ausgepraegten paedagogischen Ansatz hin zu einer Fokussierung auf Leistung und Ergebnisse (Das Ziel ist das Ziel¨).

3. LEHRKRAFT
Auffallend sympathisch sind die Lehrer an der Schule: Jede und jeder ist auf seinen Gebiet zuhause und verfuegt meines Erachtens ueber eine gesunde Mischung aus Fachkompetenz und sozialer Wahrnehmung. Der Umgang zwischen Schueler und Lehrkraft ist freundlich, hoeflich und zum Teil auch neckisch. Floskeln wie ¨mi vida¨, ¨mi corazon¨oder auch ¨mi amor¨ sind nicht unueblich und doch wahren beide Seiten die Distanz. Tatsaechlich ist diese direkte Interaktion sehr belebend und in Deutschland eher nur fuer den Sportunterricht (¨Na komm, jetzt gibt nochmal richtig Stoff¨etc.) typisch. Die Trennung zwischen einheimischer und deutscher Lehrkraft fuehrt zweifelsohne zu zwei Lagern, dessen Graben durch die Gehaltsspanne zusaetzlich weiter ausgehoben wird. Ein Wermutstopfen sowohl fuer die Schule als auch fuer die entsandten Lehrer ist der Fakt der befristeten Vertraege, welche eine Rueckkehr des Beamten nach einem oder drei Jahren vorsieht und somit gerade in dern internen Organisation eine (Wissens-) Luecke hinterlaesst.

4. DEUTSCH ALS FREMDSPRACHE
Deutsch steht an der Schule auf den Tagesplan und findet sich nicht nur im Fremdsprachenunterricht wieder. Vielmehr sind die meisten Beschreibungen zweisprachig, die Klassenzimmer mit Deutschkarten versehen und jede Tuer der Sekundarstufen wird von einer bekannten Stadt geschmueckt (In der Unterstufen sind es dt. Kinderbuecher mit Deckblatt und Klappentext). Das Interesse an der Sprache und Kultur ist durchwachsen und gut 99% der Schueler sind Kolumbianer ohne deutschem Migrationshintergrund. Waehrend die Schule bereits in der Vorschule die Sprache in den Alltag webt, scheint das Interesse der Schueler mit zuenehmenden Alter nachzulassen. Die direkte Anwendung ausserhalb der Schule ist kaum moeglich, die Kultur doch fremd und das Erlernen Sprache sicherlich anspruchsvoll. Die Motivation schwankt zwischen eifriger Neugier und emisger Mitarbeit bis hin zur Totengraeberstimmung, Frustration und Verzweiflung.

5. INTERNATIONALES BACCALAUREATE
Seit 1968 wird das IB-Diploma-Programm angeboten. Ursprünglich wegen seines internationalen Charakters für Kinder von Diplomaten konzipiert, wird das IB mittlerweile weltweit auf Englisch, Spanisch und Französisch angeboten. In Cali belegt der Schüler damit drei statt der in Deutschland üblichen zwei Leistungskurse, dafür jedoch auch nur drei Grundkurse. IB-Fächer werden mit Ausnahme der Sprache-B-Kurse normalerweise zwei Jahre lang gelehrt. Für ein Higher-Level-Fach werden 240 Stunden Unterricht vorgeschlagen, für die Standard-Level-Kurse 150 Stunden. Die Higher Level Fächer sollen die späteren Karrierewünsche der Schüler widerspiegeln und ihnen besonders in diesen Bereichen inhaltsreiche Vorkenntnisse vermitteln. Um beispielsweise den Anforderungen eines späteren Medizinstudiums gerecht zu werden empfiehlt sich demnach eine Kombination aus Chemie und Biologie im Higher Level. Diese Fächerkombination ist keine formale Voraussetzung für die Zulassung zum Medizinstudium in Deutschland, erleichtert aber inhaltlich den Einstieg in das Studium. Der Anspruch an die Schueler ist bereits in den unteren Klassen sehr hoch und der Leistungsdruck fuehrt bei meiner Gastschwester zu Nachmittagen und Wochenenden voll mit Hausaufgaben. Neben der Schule bleibt wenig Zeit fuer die eigene Entfaltung bzw. die angespannte Sicherheitslage im Land fuehrt zu wenig (physischen) Austausch mit dem Freundeskreis.

6. ERWARTUNGSHORIZONT & LERNPROZESS
Der international anerkannte Abschluss oeffnet den Absolventen Tueren und Toren zur Bewerbung an Universitaeten weltweit. Zusaetzlich haben die Schueler die Moeglichkeit, die Aufnahmepruefungen fuer die Unis an der Schule zu absolvieren. Gepaart mit dem kolumbianischen Abitur und ohne der Moeglichkeit die Schule frueher zu verlassen (Vergleich dreigliedriges Schulsystem bzw. Ausbildungssystem Deutschland), entsteht meines Erachtens ein inmenser Druck fuer die Schueler. Gleich der Aussage ALLES ODER NICHTS ist die Schullaufbahn ein ziemlich gerade und steiler Weg. Die Eltern unterstuetzen ihre Schueler auf unterschiedliche Art und Weise und doch scheint das Verstaendnis fuer den Lernprozess ein voellig anderer zu sein. Extreme Beispiel dafuer sind private Deutschlehrer, welche Zuhause OHNE deN Schueler die Hausaufgaben erledigen und dabei die Sauklaue vortaeuschen. In einer Gesellschaft wo sich Vater und Mutter im Lernprozess nicht als Mitstreiter sondern ledilgich als Finanzspritze wahrnehmen, ist die Frage der Verantwortung nur mit Bedenken zu beantworten. Der Lehrer mag noch so gut ausgebildet sein und der Schulbeitrag noch so hoch: Sobald der Schueler den Faden verlieren zu droht, sind alle gefragt und der im Nachhinein eingeschaltete Anwalt eher ein Zeichen von Unsicherheit und mangelndem Verantwortungsbewusstsein der Eltern.

7. JUEGOS NACIONALES & HUMBOLDT
Deutsch hin oder her – das Fach extremer Beliebheit ist zweifelohne Sport und wird gerade in den Deutschen Auslandsschule im Norden von Suedamerika besonders gefoerdert. So organisieren die Schulen untereinandern alle zwei Jahre die Nationalen Spiele und alle zwei die Humboldtspiele (Peru, Kolumbien, Bolivien, Equador & weitere). Dieser Wettkampf der Schulen wird in den Disziplinen Leichtathletik, Schwimmen, Baskebtall und Volleyball ausgetragen und ist somit das Non-Plus-Ultra fuer alle Sportethusiasten und Sportlehrer.
Meine Erfahrungen und Eindruecke in den Juegos Nacionales in Medellín werde ich in einem seperaten Beitrag festhalten, doch sei angemerkt, dass gerade dieses Event fuer mich ein grosser Pluspunkt war, ja das Erlebnis schlechthin hinsichtlicher der Entscheidung an einer DAS zu arbeiten.


Sieben Arguemente decken keineswegs die gesamte Erlebniswelt DEUTSCHE AUSLANDSSCHULE ab und doch ermoeglicht es eine Einblick in Tendenzen, welche sich vorher nur vermuten liessen. Das Praktikum hat mich in vielerlei Hinsicht beschenkt und es waere mir eine Freude gewesen, noch laenger an der Schule taetig zu sein. Gleichzeitig haben sich kulturelle und gesellschaftlich Unterschiede aufgetan, welche meine Entscheidung stark beeinflussen und nur wenig den paedagogischen Ansatz aus der Heimat aehneln. Vielmehr steht gerade aufgrund des IB die Leistung und das Ergebnis im Vordergrund – der Abschluss ist zweifelsohne ein Sprungbrett direkt hoch auf die Karriereleiter und dennoch fuer viele mit enormen Kraftaufbringunen verbunden. Die Eltern sind sehr am Wohl der Kinder interessiert und uebernehme bis hoch in den oberen Klassen die Verantwortung – eine Tatsache welche den Lehrer bei einem Gespraeche unter sechs Augen schnell alleine dastehen laesst. Waehrend das Fach Deutsch aufgrund der Lernbereitschaft der Schueler eher wenig attraktiv erscheint, so weckt das Fach Sport in mir wahrhaftig den Wunsch eine Anstellung an einer Deutschen Auslandsschule anzustreben. Ein Sportlehrer aus dem Colegio Alemán Andino (Bogotá) unterrichtet als Deutscher beispielsweise ausschliesslich Sport und gestaltet seine Schwimmklassen komplett auf Deutsch.
Trotz eines tadellosen Einblicks und vielen positiven Erfahrungen war meine Bereitschaft vor dem Praktikum groesser, spater einmal an einer Deutschen Auslandsschule zu unterrichten.
Vielmehr nehme ich dankbar die Erfahrungen (insbesondere der Deutschstunden als Fremdsprache) an und richte den Blick auf Bildungswesen der Freien Waldorfschule in Deutschland.

Interesse am CS Cali vertiefen:
Praesentation CA Cali

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